Als Reaktion auf die Corona-Pandemie hat der Kunstverein Dresden Künstler*innen aus dem lokalen Umfeld eingeladen, sich in seinem Schaufenster mit den unmittelbaren Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Kunst und deren Rezeptionsraum auseinanderzusetzen. Auf Einladung des Kunstverein Dresden bespielt die Schriftstellerin Heike Geißler die Schaufenster des geschlossenen Kunstraums mit einer dreiteiligen Videoarbeit und einer installativen Assemblage.
Kuratorin: Gwendolin Kremer
Es war einmal / Good bye ist eine Intervention aus Abschied und Rage.
In dieser von außen sichtbaren Arbeit für zwei Schaufenster und den Raum wird auf drei Bildschirmen und mit den sich wie ein Publikum oder eine Kundgebung verhaltenden Transparenten ein Abschied postuliert, der sich als zwingend formuliert.
Verabschiedet wird alles, was stört. Verabschiedet wird mit stoischem Winken. Ein Winken zum Abschied. Hier wird aber auch zur Begrüßung gewinkt, um zum Abschied einzuladen. Wer geht? Wer kommt? Was bleibt?
Eine Frau (Schauspielerin: Charlotte Puder) winkt also aus einem Bildschirm und scheint das Winken längst verinnerlicht zu haben. Das ist der Vorschlag für eine Handlung und das Abbild einer eleganten Geste: Winkt hier eine Königin ihrem Volk? Winkt hier eine Diktatorin von der Tribüne? Winkt hier eine Vergangenheit in die Gegenwart hinein? Winkt hier eine, die nichts anderes als winken kann?
Die Textarbeiten auf den Bildschirmen machen es explizit. Wir lesen Abschiedsmärchen über Prinzessinnen und Leergeschäfte, Idiot*innen und Potentaten, über Transparenz, Gewaltenteilung und Mord. Erzählt werden Märchen von Zuständen und Fakten, von Menschen und Dingen. Kurze Anekdoten. Verabschiedet werden Mogelpackungen und Ängstlichkeit und Übergriff und gefeiert wird der Abschied als das benötigte Empowerment. Time to say Good bye? Natürlich, längst.
Hier nehmen auch die Märchen ihr Schicksal in die Hand und verweigern sich den üblichen Erzählmustern.
Es war einmal ein Märchen, das sagte: Ich wurde immer falsch verstanden. Ich stehe nicht länger zu Diensten. Ich bin kein Service.
Die Installation aus Text- und Filmarbeiten und den Transparenten wird rund um die Uhr zu sehen sein und erzählt zum Beispiel das Märchen von einem Volk, das sich ein für allemal entschied, lieber eine Bevölkerung zu sein.
Ein zweiter Teil der Intervention findet online statt und ist über Sticker, die verschickt, im Stadtraum (auch außerhalb Dresdens) geklebt und mit QR-Codes kombiniert sind, erreichbar.
Es war einmal ein Märchen, das war noch nicht und würde sein.
Heike Geißler (*1977 in Riesa, lebt und arbeitet in Leipzig) ist Schriftstellerin, Teil des Theaterkollektivs George Bele und Mitherausgeberin der Heftreihe Lücken kann man lesen. Bisher erschienen: der Roman Rosa (DVA, 2002), ausgezeichnet mit dem Alfred-Döblin-Förderpreis 2001, der Erzählungsband Nichts, was tragisch wäre (DVA, 2008), das illustrierte Kinderbuch Emma und Pferd Beere (Lubok, 2009) und der Reportage-Roman Saisonarbeit (Spector Books, 2014). 2016/17 war sie Stipendiatin der Villa Massimo, Rom.
In ihren Romanen, Essays und Untersuchungen beschäftigt sie sich mit gesellschaftlichen Kontextualisierungen von disparaten Lebenswelten.
Seit über zehn Jahren spielt auch die Frage der Visualisierung von Text und Textlichkeit eine immer größere Rolle in ihrem Werk. Mit ihren letzten Interventionen im öffentlichen Raum setzte sie sich 2020 in der Villa Stuck in München mit Anna Lena von Helldorff mit der Betrachtung von Gegenwarten und in der GfZK Leipzig mit den unmittelbaren Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Kunst und deren Rezeptionsraum, aber auch mit den gefühlten Unzulänglichkeiten der Lockdown-Situation für das Individuum auseinander.
Gefördert durch die Stiftung Kunstfonds, das Sonderförderprogramm NEUSTART KULTUR sowie die Landeshauptstadt Dresden, Amt für Kultur und Denkmalschutz.